Mit ihrem zauberhaften Vorlesebuch „Waldwichtelin Minella zieht in die Stadt“ hat Wichteltürenkünstlerin Elli Böttcher sich einen Kindheitstraum erfüllt. Wie sie ins Wichtelfieber gekommen ist, warum sie bei der Umsetzung ihres Erstlings keine Kompromisse machen wollte und wie sie das geschafft hat, verrät Elli Böttcher im Interview.

jungesbuch: Liebe Elli, heute erscheint dein erstes Buch „Waldwichtelin Minella zieht in die Stadt“. Bist du sehr aufgeregt? 

Elli: Ich bin wirklich unglaublich aufgeregt. Mit der Veröffentlichung des Buches geht ein Kindheitstraum von mir in Erfüllung – einfach der Wahnsinn! Und dieses Buch jetzt in der Hand zu halten hat mir einmal wieder gezeigt: Es geht so vieles, wenn man wirklich will.

jungesbuch: In deinem Buch nimmst du uns mit in die Welt der Wichteltüren und vor allem in die Welt deiner Wichtelin Minella. Wie bist du ins Wichtel-Fieber gekommen?

Elli: 2017 hat meine Tochter von einer Freundin eine Wichteltür geschenkt bekommen. Und das Feuer war sofort entfacht. Das klingt jetzt so kitschig. Aber es war genau so. Quasi Liebe auf den ersten Blick.

jungesbuch: Dann war deine Tochter noch so klein, dass ein echter Wichtel einziehen konnte?

Elli: Ja. Ich habe diese Tür an der Wand befestigt und über Nacht hatten wir neue Mitbewohner. Meine Kinder waren so aufgeregt, dass sie in der ersten Nacht dreimal aufgewacht sind. 

jungesbuch: Und diesen Zauber wolltest du auch anderen Familien schenken.

Elli: Genau. Ich habe angefangen, in meiner kleinen Werkstatt, eigene kleine Türen zu bauen und im Freundeskreis zu verschenken. Die Resonanz war so positiv, dass ich weiter gebaut habe. 

jungesbuch: Und was hast du mit den vielen Türen gemacht?

Elli: Ich habe sie auf einem kleinen Weihnachtsmark verkauft und schließlich meinen eigenen Etsyshop eröffnet. Und mittlerweile bin ich innerhalb von wenigen Minuten ausverkauft, wenn ich neue Türen online stelle. Es ist verrückt. 

jungesbuch: Mit deinen Wichteltüren lebst du aber nur einen Teil deiner Leidenschaft aus.

Elli: Ich liebe meine alten Puppenhausminiaturen, die sich hervorragend eignen, um Geschichten rund um die kleine Tür zu erfinden. Jedes Detail ist so zauberhaft. Außerdem liebe ich Wichtel-Bücher. 

jungesbuch: Gibt es auch wichtelfreie Zeit? Kann man mit dir etwa einen normalen Waldspaziergang machen?

Elli: (lacht.) Nicht wirklich. Ich suche ständig nach Rinde, fühle das Moos und entdecke überall Waldwichtel-Behausungen. 

jungesbuch: Einen kreativen Kopf kann man nunmal nicht ausschalten.

Elli: Das stimmt wohl. Um schöne Fotos machen zu können, habe ich in meinem Wanderrucksack immer eine kleine Auswahl an Miniaturen dabei.

jungesbuch: Früher waren es sicher deine Kinder, die man gelegentlich animieren musste, weiter zu gehen. Wie gefällt es ihnen, wenn du heute die Bummlerin bist?

Elli: Meine Familie liebt es. Nicht. Obwohl, tief in ihrem Inneren vermutlich schon. (lacht)

jungesbuch: Wie viele Wichteltüren habt ihr zu Hause?

Elli: Wir haben mittlerweile vier Wichteltüren. Das geht allerdings nur, weil meine Kinder aus dem Alter, in dem Kinder richtig stark an Wichtel glauben, bereits raus gewachsen sind. Denn vier Türen so zu pflegen, dass der Zauber erhalten bleibt, ist fast unmöglich. Meine Empfehlung ist, eine Tür reicht. Ich würde sie nicht unbedingt im Kinderzimmer platzieren. Sondern an einem Ort, an dem man abends nochmal vorbei kommt. Denn dann sieht man auf jeden Fall, ob die Kinder etwas vor die Tür gelegt haben und ob es also Handlungsbedarf gibt. Es ist auch einfacher Heimlichkeiten vorzubereiten, wenn man das nicht mit der Taschenlampe machen muss, während die Kinder schlafen.

jungesbuch: Und gibt es auch ein paar unbewohnte Türen?

Elli: Sogar so einige. In meinem Keller sind ständig irgendwelche Türen – darunter nicht nur unfertige, sondern auch fertige. Bei manchen dauert es eine Weile, bis ich sie loslassen kann, weil ich sie besonders gern mag. Aber irgendwann schaffe ich es und freue mich auch, wenn so ein Wichtel bei einer anderen Familie einziehen kann. Von meinen Buchkulissen werde ich mich aber natürlich auf gar keinen Fall trennen.

jungesbuch: Du hast einen Instagram-Account mit mehr als 12.000 Followern, wo du deine Bastelleidenschaft für Wichtelwelten teilst. Warum sind Wichtelwelten derart beliebt, was glaubst du? Brauchen Eltern und Kinder – vielleicht auch gerade besonders – einen schönen Rückzugsort? Ruhe Frieden, Heimeligkeit?

Elli: Ach, bestimmt könnte man sagen, Eltern seien auf der Suche nach Frieden, Heimeligkeit. Und das gibt die Wichteltür auch mit Sicherheit her. Ich finde diesen Gedanken auch sehr schön und so bin ich mit dem Thema auch eingestiegen und ich bin mir sicher, viele Eltern handhaben das auch so. 

jungesbuch: Das klingt nach einem lauten Aber …

Elli: Ja, leider. Aktuell befinden wir uns in einem absoluten Wichteltür-Hype, vor allem auf Instagram. Da wird nächtelang gebastelt, massenhaft Zubehör gekauft, es werden unglaublich aufwändige Kulissen gebaut – das fühlt sich für mich nicht nach Entspannung an. Und das versuche ich auf meinem Account auch immer wieder zu kommunizieren: Es geht nicht darum, wer die schönste, bestausgestattete, kreativste Wichteltür hat und die meisten Ideen umsetzt. Das ist der pure Konsum. Und das gefällt mir nicht. Ich finde, es geht darum, ein geheimnisvolles Wesen zum Leben zu erwecken. Ein Wesen, das auf die Bedürfnisse der Kinder eingeht. Und die vielen – auch ganz einfach umzusetzenden – Ideen, die auf meinem Account zu finden sind, reichen für viele Jahre mit einer Wichteltür. Es muss nicht alles auf einmal passieren.

jungesbuch: Dein Hobby und deine Leidenschaft zum Beruf machen, gelingt dir das „schon“? Deine Wichteltüren entstehen alle in liebevoller Handarbeit, für große Gewinne scheint mir da kaum Raum.

JElli: a, das stimmt. Große Gewinne mache ich damit nicht. Ich werde immer wieder darauf angesprochen, dass ich doch die Produktion auslagern soll, um mehr Türen verkaufen zu können. Und ich habe schon sehr viel in die Richtung nachgedacht. Aber ich komme immer wieder zu dem Schluss: Ich baue halt einfach gerne Türen. Und wenn ich das auslagere, dann bin ich nur noch jemand, der Versand, Marketing und Bürokratie macht. Hilfe!

Elli: Mein Konzept führt aber leider auch dazu, dass viele Kunden frustriert sind, dass sie keine meiner Türen einfach kaufen können, weil die immer sofort ausverkauft sind. Aber das ist dann halt so. Wenn allerdings mein Buch ein Bestseller wird und große Gewinne abwerfen sollte, könnte ich gut damit leben 😉

jungesbuch: Das ist nochmal ein sehr guter Übergang, kommen wir wieder zu deinem Buch. Minella kombiniert die Namen deiner beiden Töchter Milena und Ella. Die Idee ist zauberhaft. War sie von deinen Töchtern?

Elli: Nein. Ich hatte sehr lange den Namen „Tilda“ für meine Waldwichtelin. Aber ich wusste von Anfang an, dass ich den nicht behalten werde – wegen „Tilda Apfelkern“. Ich habe wirklich ewig herum überlegt, wie meine Wichtelin heißen könnte, bis dann meine Tante die Idee hatte. 

jungesbuch: Minella bekommt in deinem Buch eine Wichtel-Freundin. Warum keinen Freund?

Elli: Es gibt einfach viel zu wenige Wichtelinnen. Das nervt. Ich habe tatsächlich lange überlegt, Gartenwichtelin Herdis einen Wichtel sein zu lassen. Wäre ich bei einem großen Verlag, hätte ich das vielleicht auch ändern müssen. Und ehrlich gesagt hätte ich das auch ok gefunden. Aber da ich es nicht bin, tue ich mit meinem Buch etwas für die Wichtelinnen-Quote. Einfach, weil ich Lust darauf hatte. In den Briefen an Minella habe ich dafür extra ein paar Wichtel eingeflochten.   

jungesbuch: Auch optisch bist du einen anderen Weg gegangen. Du hast dein Buch nicht mit Illustrationen, sondern Fotos bebildert. Bei Vorlesebüchern kommt das eher selten vor, auch dass die Hauptfigur gar nicht zu sehen ist. Warum hast du dich dafür entschieden?

Elli: Das hat zwei Gründe. Der erste ist: Da ich nicht gut malen kann, war das Fotografieren meine einzige Möglichkeit, das Buch zu bebildern, da ich mein Projekt alleine umsetzen wollte. Auch inhaltlich ergibt es Sinn: Da Menschen Wichtel nicht sehen können, kann ich auch keinen fotografieren. 

jungesbuch: Und dann wolltest du deine zauberhaften Wichtelwelten doch sicherlich auch präsentieren oder gibt es einen anderen Grund?

Elli: Es ist tatsächlich ein anderer. Als ich noch Bücher vorgelesen bekommen habe, gab es in vielen nur sehr wenige Illustrationen. Momo, Mio mein Mio, Der kleine Vampir – alle paar Seiten vielleicht mal eine schwarz-weiß-Schraffur. Das hat mich nie gestört. Ich wusste ja trotzdem ganz genau, wie die Charaktere aussehen. Denn ich habe sie mir ganz genau vorstellen können. Und diese Möglichkeit möchte ich den Kindern, die mein Buch lesen oder vorgelesen bekommen, geben. Sich eigene Gedanken zu machen, die eigene Fantasie spielen zu lassen – das ist etwas so Magisches! Und das machen wir alle viel zu selten. Mittlerweile sind die Kinderbücher so durchillustriert. Da wird der Imagination so wenig überlassen. Dem wollte ich mich entgegenstellen.

jungesbuch: Wann hattest du die Idee aus deinen Geschichten und Ideen ein Buch zu schreiben und wie lange hat es gedauert? 

Elli: Von der Idee bis zum fertigen Buch sind anderthalb Jahre vergangen. Ich hatte die Geschichte schon letztes Weihnachten im Kopf. 

jungesbuch: Alleine die Auswahl der Motive und Fotos stelle ich mir schwierig vor, wenn man so viel Material hat. Deine Requisiten- und Möbelkästen sind randvoll. 

Elli: Das große Problem war nicht die Auswahl der Motive. Die hatte ich alle schon vor meinem inneren Auge. Die Fotos, von denen ich wusste, dass ich sie brauche, habe ich gezielt schon im Sommer gemacht, zum Beispiel die Wichteltür im Wald oder die Gartenkulisse von Herdis. 

jungesbuch: Das klingt sehr organisiert.

Elli: Ganz und gar nicht. (lacht) Viele der Fotos im Buch sind erst entstanden, während ich das Layout des Buches gestaltet habe, weil ich erst dann sehen konnte, wie sich die Seiten aufbauen. Wenn ich den Text auf der blanken Seite gesehen habe, hab‘ ich gewusst: „Hier unten links in die Ecke muss ein Bild“. Dann habe ich ein Foto gemacht, das vom Aufbau her in eine linke Ecke gepasst hat. Dafür habe ich mir im Keller extra ein kleines Fotostudio aufgebaut. Das allerletzte Foto habe ich am Tag vor der Abgabe gemacht.

jungesbuch: Hast du dir von jemandem helfen lassen?

Elli: Ich gebe es nicht gern zu, aber das war alles ein wenig chaotisch und es hätte niemand anders das Layout dieses Buches übernehmen können. Vor allem, weil wirklich in den allerletzten Tagen vor Abgabe noch Fotos entstanden sind. 

jungesbuch: Eine kreative Perfektionistin also?

Elli: Das bestimmt. Ich gebe auch nichts ab, bevor es fertig ist. Aber meine Kreativität ist für Außenstehende nicht unbedingt nachvollziehbar. Es spielt sich alles in mir ab und in mir passiert viel spontan. 

jungesbuch: Durfte denn jemand während des Schaffens deine Geschichte lesen?

Elli: Natürlich. Und meine Kinder haben mir wirklich hilfreiche Tipps gegeben. Ihretwegen habe ich das Ende noch komplett umgeschrieben. Und ich war richtig stolz darauf, dass sie so eine klare Meinung hatten. 

jungesbuch: Möchtest du verraten, was sich komplett geändert hat?

Elli: Ich hätte die Tiere aus dem Wald nicht in die Stadt kommen lassen. Dafür war ich irgendwie zu pragmatisch. Meine Kinder waren sich allerdings absolut einig, dass das überhaupt gar nicht geht. Also habe ich das Ende umgeschrieben und es gibt ein fröhliches Wiedersehen mit allen Freunden – ein klassisches Happy End.

jungesbuch: Mir gefällt das Ende deiner Töchter. So können alle gemeinsam neue Abenteuer erleben. 

Elli: Vielleicht. (lächelt)

jungesbuch: In deinem Buch gibt es die Wichtel-Wichtigkeiten mit dem Immobilienteil. Dort findet Minella ihre Traumtür. Wie würde der Text für deine Traumtür klingen?

Elli: In Minellas Tür würde ich auch sofort einziehen…

„Nagelneue Wichteltür bei junger Menschen-Familie! Diese gemütliche Nussbaum-Wichteltür in einem kleinen Einfamilienhaus ist ab sofort bezugsfertig. Liebevolle Menschen mit fröhlichen Kindern freuen sich auf einen Wichtel-Mitbewohner und sorgen für das pure Wichtelglück. Nicht möbliert.“

jungesbuch: Richtig toll finde ich, dass deine Wichtel immer schlafen, wenn sie müde sind und nicht, wenn es ihnen irgendwie vorgegeben wird. Wie würden deine Tage aussehen, wenn das ginge?

Elli: Meine Kinder hätten immer erst zur zweiten Stunde Schule. Nach dem Mittagessen würde ich 20 Minuten schlafen, damit ich dann später bis 1 Uhr nachts in meiner Werkstatt mein Unwesen treiben kann.

jungesbuch: Es gibt einige Szenen, von denen ich mir am liebsten ein Bilderbuch wünsche, etwa vom Abend auf Herdis Veranda. Zu gerne würde ich sehen, wie die beiden Wichtelinnen mit Spinne Kriepi-Piet gemeinsam Karten spielen und ich möchte gerne dabei sein, wenn Minella gemeinsam mit Fuchs Krimbur das Eichhörnchen Pippa Pinsel aus dem Fluss rettet und sie alle drei beste Freunde werden. Könntest du dir vorstellen, Minella für ein Bilderbuch ein Gesicht zu geben? Brieftaube Merlin könnte sicher ein paar Schnappschüsse machen und Minellas Zauberkraft und Wichtel-Sinn wären nicht in Gefahr, oder?

Elli: Das freut mich, dass Du mein Buch so miterleben kannst! Und ich würde auch zu gern mal mit ein paar Wichtelinnen Karten spielen… Und um die Frage zu beantworten: Nein, Minella wird in keinem meiner Bücher ein Gesicht bekommen. Warum denn? Das braucht sie nicht. Du weißt doch genau, wie sie aussieht. Und wer ein Buch haben möchte, indem man einen Wichtel zu sehen bekommt, davon gibt es viele. Auch viele wunderschöne!

jungesbuch: Welches ist denn dein liebstes Wichtelbuch?

Elli: Mein liebstes Wichtelbuch ist und bleibt „Tomte Tummetott“. Ich liebe die entschleunigenden Worte, die dunklen Bilder, die beruhigende Geschichte. 

jungesbuch: Nun wünsche ich dir ganz viel Erfolg mit deinem ersten Werk und einen wunderschönen Start in die Vorweihnachtszeit.

Elli: Ich danke Dir von Herzen! Und natürlich wünsche ich auch Dir einen zauberschönen Advent!

Sonstiges:

Zu kaufen gibt es Ellis Buch ab sofort in ihrem Online-Shop auf www.wichteltueren.de und wer mehr über die Künstlerin erfahren möchte, kann sie auch bei Instagram begleiten: @wichteltueren.de

Elli Böttcher: Waldwichtelin Minella zieht in die Stadt. Wichteltüren 2021. 80 Seiten, ab 5 Jahren, ISBN: 978-3-9820251-8-6.