Schlägerherz liest man nicht, um Spaß zu haben. Schon für Kinder ab zehn Jahren gedacht, schockiert es von Anfang an. „Es tut gut, als Pauline schreit.“ Das denkt Protagonist Kay – und verrät es uns direkt im ersten Satz des Buches. In Kombination mit der Illustration, die Kay kniend auf einem kleinen weinenden Mädchen zeigt, muss man schon schlucken. 

Die Geschichte um Kay, der vom einstigen Musterschüler zum Rowdy geworden ist und sich nun um die neue Mitschülerin Greta kümmern soll, die das Down-Syndrom hat, geht sofort unter die Haut und bietet reichlich Ansätze zur Diskussion. Denn in „Schlägerherz“ versagen die Erwachsenen – ausnahmslos:

Nach dem Verlust der Arbeit wird Kays Vater zum prügelnden Alkoholiker und seine Mutter versteckt Kay lieber im Kinderzimmer, statt ihn zu verteidigen. Die blauen Flecke werden von Lehrern in der Schule zwar bemerkt, aber ignoriert. Auch dass Kay ganz plötzlich zum Gewalttäter geworden ist, fällt auf, aber nicht weiter hinterfragt. Man kommt nicht umhin zu glauben, dass die Lehrer die Antworten längst kennen und es schlicht bequemer für sie ist, in irgendeiner Form zu handeln. Traurig!

Zwar geht die Geschichte – und das sollten kleine Leser vorab unbedingt wissen – gut aus, aber es hat schon einen äußerst üblen Beigeschmack, dass ein kleines Mädchen schutzlos für das sorgen soll, was die Erwachsenen nicht geschafft haben: Kay zu resozialisieren. Greta wird kurzerhand – offensichtlich ohne ihre Eltern vorab darüber aufzuklären – zu Kays „letzter Chance“ vor dem drohenden Schulverweis erklärt. Er soll ihr Buddy sein. Das macht schon sprachlos und das schlechte Gefühl gibt einem im Verlauf der Handlung auch noch Recht.

„Langsam dringt ihre Wärme durch Kays Shirt, sie will sich mit seiner verbünden. So ein Gefühl hat er schon lange nicht mehr gehabt. Früher hat er viel und oft gekuschelt. Meist mit Mama, wenn er sich wehgetan oder schlecht geträumt hatte. Oder einfach nur so, wenn ihm danach war. Schön ist das gewesen.“

Was in Schlägerherz zu kurz kommt, ist die Perspektive der Opfer. Greta wird als ein Kind dargestellt, die ohnehin nicht so recht versteht, was um sie herum geschieht. Selbst ihre Entführung durch Kays Kumpel Sven in einen Schuppen, wo Greta im Schwitzkasten am Boden knien muss, während Sven Kay auffordert: „Die Fette wehrt sich ganz schön! (…) Na los, verpass ihr eine!“ soll an Greta spurlos vorbeigehen. Ihre Gefühlswelt wird schlichtweg ausgespart.

Allerdings eignet sich Jutta Nymphius bewegendes Kinderbuch um Gewalt und Inklusion gerade wegen der Kritik sehr gut als Diskussionsgrundlage in der Schule und wird an niemandem spurlos vorbeigehen. Weder an den Kindern, noch an den Lehrern.

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